Symphonie Nr. 102 B-Dur Hob. I:102

Entstehung: 1794

Uraufführung: 1795 im Londoner King's Theatre

Spieldauer: ca. 30 Minuten

Dass Beethoven, dessen Genius nach der Konzertpause zu bestaunen ist, Gewichtiges, Bahnbrechendes schuf, dürfte kaum infrage stehen. Doch auch ihm wurde der Weg bereitet. Schaut man auf Joseph Haydns populäre 102. Symphonie, die das Trio der letzten drei Londoner Symphonien einläutet, wird deutlich: Die klanglichen Neuerungen des großen Bonners hatten Vorläufer.

Allein die Largo-Einleitung: Hier arbeitet Haydn zunächst nur mit einem einzigen Ton. Dieser schwillt an und wieder ab, begleitet von einem leisen Paukenwirbel. Das ist purer Klang – und eben deshalb so ungewöhnlich für die Klassik. Langsam tastend entsteht erst danach so etwas wie ein Motiv. Es folgen zwei völlig gegensätzliche Themen, von denen vor allem das zweite mit seiner ungewöhnlichen Form beeindruckt: Das Orchester spielt am Anfang und am Ende des Themas zwei volle ganze Noten im Fortissimo, dazwischen steht eine mäandernde kleine Melodie im Piano. Zwar stoßen im weiteren Verlauf des ersten Satzes andere Themen hinzu (ein drittes Thema nimmt den an- und abschwellenden Anfangston der Einleitung wieder auf), doch vor allem dieses zweite Thema beherrscht die weitere Entwicklung – natürlich immer in Opposition zu dem sonstigen Material. Die gewaltige Kraft, mit der die Themen in der Durchführung aufeinanderprallen, deutet ebenfalls auf Beethoven voraus.

Es folgt ein kurzes Adagio mit dem Einsatz des Solo-Cellos und mit einem nahezu irreal erscheinenden Klangbild: Man könnte bereits an die musikalische Romantik denken, wenn sich die Orchesterstimmen im schwermütigen Schemenhaften verlieren. Haydn bleibt jedoch Haydn, wenn er am Satzende wieder zu einem heiteren, versöhnlichen Ton findet. Der dritte Satz ist ein Menuett, tänzerisch, doch nicht ohne drohenden Charakter. Darin eingebettet hören wir ein Trio, dessen schlichtes Thema im 3/4-Takt voll überzeugt. (So sehr, dass spätere Komponisten begeistert und ungeniert darauf zurückgriffen.) Amüsant ist, dass in diesem Trio auch die Friedhofsszene aus Mozarts »Don Giovanni« anklingt. Im Presto-Finale schließlich setzt Haydn auf die Musik Osteuropas: Den letzten Satz beherrscht ein kroatisches Marschthema, das vielseitige Verwandlungen durchmacht. Die Symphonie, die in für Haydn ungewöhnlicher Weise Stimmungsextreme von drohend bis verklärt-paradiesisch präsentierte, schließt triumphal.

Unter dem Strich ist sie Zeugnis für die künstlerischen Freiheiten, die er sich zum Ende seiner kaum überschaubaren Komponisten-Laufbahn als erfolgsverwöhnter Künstler in seiner damaligen Wahl-Heimat London erlauben konnte. Dass sich allerdings die revolutionären Umwälzungen, die sich damals in Europa mit Macht entfalteten, in den Londoner Symphonien widerspiegeln, lässt sich kaum sagen. Dafür war dann einige Jahre später Beethoven zuständig.

Joseph Haydn
Joseph Haydn

Historie

25.01.2018 - Scherzhafter Ernst und ernsthafter Scherz

Alessio Allegrini Dirigent

Werke von Elgar, Haydn und Beethoven